Aktuelles
07.10.2025
Unser Kirche bekommt neue Glocken.
Wenn sie sprechen könnte...
Es gibt wohl kaum einen Zeitzeugen, der über sein Leben über einen Zeitraum von mehr als 500 Jahre berichten kann. Zuge-geben, so richtig viel kann uns die älteste der Cämmerswalder Glocken – die „Marienglocke“ von 1499 - auch nicht di-rekt mitteilen. Außer ihrem lieblichen Ge-läut, das uns zur halben und vollen Stunde sowie am Morgen, Mittag und am Abend erfreut, aus dem Alltagstrott reißt und zu Gebet und Besinnung ruft oder gar zur Eile ermahnt, ist sie, was die geschichtlichen Ereignisse angeht, eher ein stiller Zeitzeu-ge. Manchmal male ich mir jedoch aus, wie es wohl wäre, wenn sie uns aus ihrem Leben berichten könnte. Was hat sie wohl alles schon gesehen, gehört und erlebt? Wie viele Glockenschläge hat sie in ihrem Leben schon in die Weite des Ortes hin-aus gesendet zu Gottesdiensten, zu fro-hen Anlässen, zu Hochzeiten, Taufen, Konfirmationen, wie oft durfte sie Einseg-nungen begleiten? Wie oft musste sie aber auch die Cämmerswalder Einwohner vor bevorstehenden Naturereignissen, Kata-strophen, oder kriegerischen Einmärschen warnen? Wie oft haben fleißige Hände sie berührt, für sie gesorgt, sie an Seilen in Bewegung gebracht oder einfach nur den Staub entfernt? Über all das lässt sich mutmaßen, die genauen Informationen sind nicht greifbar.
Im Pfarrarchiv sind über das Geläut meh-rere Niederschriften vorhanden, die uns wenigstens einen Teil des Lebens des Cämmerswalder Geläutes dokumentieren. So war die “Marienglocke” in der Tonlage a‘ mit der Aufschrift „O Rex Gloriae veni cum pace. Ave Maria. Anno Domini M°CCCC°XCIX“ (O König der Herrlichkeit, komm mit Frieden. Sei gegrüßt, Maria. Im Jahre des Herrn 1499) einst Teil eines zweistimmigen Geläutes mit einer klei-neren Glocke von vermutlich 1422 mit der Inschrift „O Rex Gloriae veni cum pace“ (O König der Herrlichkeit, komm mit Frieden!). Aus Spenden der Kirchgemeinde wurde 1863 ein neues dreistimmiges Bronzege-läut in F-Dur (f‘ – a‘ – c‘‘) angeschafft. Dazu wurde die kleinere Glocke von 1422 eingeschmolzen und zur „Marienglocke“ von 1499 zwei neue Glocken des Glockengießers Jauck aus Leipzig ergänzt. Eine kleinere Glocke (als Taufglocke) in c‘‘ mit den Inschriften „Lasset die Kindlein zu mir kommen – denn solcher ist das Reich Gottes“ und “Haltet an am Gebet“ und eine große Glocke (f‘) mit den Inschriften „Ehre sei Gott in der Höhe – Friede auf Erden – Und den Menschen ein Wohlgefallen“ sowie Informationen zur Erschaffung und der wichtigsten Spender auf der anderen Seite.
Leider hatte diese Neuanschaffung nur kurzen Bestand. Im Ersten Weltkrieg wur-den 1917 die beiden neuen Glocken für Kriegs- und Rüstungszwecke beschlag-nahmt und eingeschmolzen. Nach dem Weltkrieg wurde 1921 ein neues Bron-zegeläut durch die Gießerei Bierling in Dresden erstellt. Die Glocken waren noch größer und hatten D-Dur (d‘ – fis‘ – a‘) als Klang. Baulich konnte dieses große Geläut nur durch die Verwendung von gekröpften Gusseisenjochen seinen Platz im beeng-ten Glockenturm finden. Hierzu entfernte man zudem die Krone der Glocke von 1499 und baute den Glockenstuhl komplett um. Das Geläut hatte ebenfalls nicht lange Bestand und die beiden großen Glocken wurden 1942 im 2. Weltkrieg für Rüstungs-zwecke beschlagnahmt. Nur die alten Gusseisenjoche sind noch als Zeugen dieser Zeit auf dem Kirchboden erhalten.
Erst 1954 wurde wieder ein neues Geläut angeschafft. Die Gießerei Schilling und Lattermann aus Apolda ergänzte zwei Eisenhartgussglocken mit Jochen als Stahl-konstruktion zur Marienglocke mit dem Klangmotiv Te Deum (fis‘ – a‘ – h‘). Dieses Klangmotiv ist seit 2017 nicht mehr voll-ständig zu hören, da im Joch der größten Glocke unzulässige Risse entdeckt wurden und darum die Glocke nicht mehr geläutet werden darf.
Seit dieser Zeit laufen Bemühungen zur Instandsetzung und Vervollständigung des Geläutes. Aus Erfahrungswerten weiß man zudem, dass Eisenhartgussglocken nur eine begrenzte Lebensdauer haben, die demnächst auch erreicht sein wird. Es soll die Marienglocke also wieder neue bronzene Wegbegleiter erhal-ten. Im Frühjahr 2020 wurden dazu zu-nächst Schwingungs-untersuchungen durchgeführt, um wis-senschaftlich die Be-einflussung des Turm-tragwerkes infolge der dynamischen Kräfte beim Läuten zu ermit-teln. Dabei wurde festgestellt, dass die Glocken bereits zu unzulässigen Bewegungen des Turmes geführt haben. Zukünftig muss daher die Schwingrichtung geändert werden, das Holztrag-werk im Turm durch zusätzliche Balken ergänzt werden. Außer-dem wird das Geläut kleiner aus-geführt werden – Klangmotiv Te Deum (a‘ – c‘‘ – d‘).‘
Neben der Planung der techni-schen Umsetzung, dem Beantra-gen der notwendigen Bau- und denkmalrechtlichen Genehmigun-gen, galt es, die hohen zu erwar-tenden Kosten aufbringen zu kön-nen. Außer den Eigenmitteln der Kirchge-meinde haben wir die Zusage von außer-ordentlichen Mitteln aus der Landeskirche. Nach mehreren Anträgen und Vor-Ort-Gesprächen mit den Mitarbeitern des Am-tes für Denkmalschutz erhielten wir nach über einem Jahr Wartezeit überraschend Ende letzten Jahres eine Zusage auf Be-willigung von Fördermitteln. Damit laufen die Detailplanungen weiter und unser Ziel ist es nun, die Erneuerung des Geläutes noch in diesem Jahr abzuschließen.
Bei der Finanzierung des Vorhabens darf dabei auch der Anteil an freiwilligen Spen-den in Höhe von 7.160,52 €, die bisher für die Erneuerung des Geläutes und damit verbundener Arbeiten eingegangen sind, nicht unerwähnt bleiben. Dafür möchten wir uns recht herzlich bedanken! Um die seit der Antragstellung gestiegenen Bau-kosten zu finanzieren, bitten wir weiterhin um Ihre Spende auf das untenstehende Bankkonto. Es ist unsere Möglichkeit, die über 500jährige Geschichte der „Marienglocke“ fortzuschreiben und den lieblichen Glockenklang eines vollständi-gen Geläutes weiterhin als Zeichen des Friedens in unseren Ort hinausschallen zu können. Steve Wagner

Mittlerweile haben die Bauarbeiten der Glocken schon begonnen, und sie sind zum Ausheben aus dem Turm vorbereitet. Danach wird der Zimmermann sich im Winter um das Tragwerk der Glocken kümmern.
Einen genauen Termin für den Glockenguss haben wir noch nicht, geplant ist der Guss aber für Februar 2026 in Insbruck.

Glockenaushub am 13.11.2025
07.10.2025